Afrika-ABC in Zitaten: Sklavenhandel

Afrika-ABC in Zitaten: Sklavenhandel


Während die Diskussion über Sklaverei in Westeuropa und den USA immer schriller wird, bekennt sich die nigerianische Journalistin und Bestsellerautorin („Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy“, deutsch, dtv 2011) Adaobi Tricia Nwaubanizu dazu, dass ihr Vorfahre ein Sklavenhändler war. „My Nigerian great-grandfather sold slaves“ (BBC Online, 19.7.2020).

Afrika-ABC in Zitaten: Sklavenhandel

von Volker Seitz

Sie deutet damit an, dass die Geschichte der Sklaverei ein vielschichtiges Thema ist, komplex, und dass nicht mit simplen Schwarz-Weiß-Bewertungen gearbeitet werden kann. Adaobi Tricia Nwaubani schreibt, dass einer ihrer Vorfahren Sklaven verkaufte, argumentiert aber, dass er nicht nach den heutigen Normen oder Werten beurteilt werden sollte: Mein Urgroßvater, Nwaubani Ogogo Oriaku, war das, was ich lieber als Geschäftsmann bezeichne, aus der Volksgruppe der Igbo im Südosten Nigerias. Er handelte mit einer Reihe von Waren, darunter Tabak und Palmenprodukte. Er verkaufte auch Menschen: „Er hatte Agenten, die Sklaven von verschiedenen Orten gefangennahmen und sie zu ihm brachten“, erzählte mir mein Vater. Die Sklaven von Nwaubani Ogogo wurden über die Häfen von Calabar und Bonny im Süden des heutigen Nigeria verkauft. Menschen aus ethnischen Gruppen entlang der Küste, wie die Efik und Ijaw, fungierten gewöhnlich als Stauer für die weißen Händler und als Mittelsmänner für Igbo-Händler wie meinen Urgroßvater. Sie be- und entluden Schiffe und versorgten die Ausländer mit Lebensmitteln und anderen Vorräten. Sie handelten Preise für Sklaven aus dem Hinterland aus und kassierten dann sowohl von den Verkäufern als auch von den Käufern Lizenzgebühren. Nwaubani Ogogo lebte in einer Zeit, in der die Stärksten überlebten und die Tapfersten überragten. Das Konzept ,alle Menschen sind gleich geschaffen‘ war der traditionellen Religion und dem traditionellen Recht in seiner Gesellschaft völlig fremd. Die Beurteilung der Menschen der Vergangenheit Afrikas nach heutigen Maßstäben würde uns dazu zwingen, die Mehrheit unserer Helden als Schurken abzustempeln“.

Der Kauf und Verkauf von Menschen unter den Igbo hatte schon lange vor der Ankunft der Europäer stattgefunden. Menschen wurden zu Sklaven als Strafe für Verbrechen, zur Bezahlung von Schulden oder als Kriegsgefangene. Der erfolgreiche Verkauf von Erwachsenen galt als eine Heldentat, für die ein Mann von Lobsängern bejubelt wurde, ähnlich wie Heldentaten im Ringen, im Krieg oder bei der Jagd auf Tiere wie den Löwen. Igbo-Sklaven dienten als Hausangestellte und Arbeiter. Manchmal wurden sie auch in religiösen Zeremonien geopfert und mit ihren Herren lebendig begraben, um ihnen in der nächsten Welt beizustehen.

Die Sklaverei war so tief in der Kultur verwurzelt, dass eine Reihe von populären Igbo-Sprichwörtern darauf Bezug nehmen. (z.B. „Anyone who has no slave is his own slave“) „Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin und in dem meine Eltern noch immer leben, steht auf einem Stück Land, das sich seit über einem Jahrhundert im Besitz meiner Familie befindet. Einst befand sich dort das Gästehaus von Nwaubani Ogogo, in dem er britische Beamte zu Besuch empfing. Sie schickten ihm Umschläge mit Haarschnipseln, um ihm mitzuteilen, wann sie ankommen würden. Nwaubani Ogogo starb irgendwann Anfang des 20. Jahrhunderts. Er hinterließ Dutzende von Ehefrauen und Kindern. Es gibt keine Fotos von ihm, aber er soll bemerkenswert hellhäutig gewesen sein.“

Freigekaufte Sklaven steigen in den Menschenhandel ein

Flora Nwapa (1931–1993) gilt als „Mutter der der modernen afrikanischen Literatur“. Sie schrieb in einfacher englischer Sprache. In ihrem Buch „Efuru“, Lamuv 1997, erwähnt sie den Sklavenhandel: „Nwosu und der Fischer erinnerten sich wieder an die Geschichte von den Kanonen, die ihnen ihre Väter erzählt hatten. Die weißen Sklavenhändler hatten den Leuten die Kanonen als Gegengabe für die Sklaven gegeben... Die Kanonen gehörten den bedeutenderen Familien, die sich selbst aktiv am Sklavenhandel beteiligt hatten. Sie waren deshalb bedeutender, weil sie das Vorrecht hatten, mit den Sklavenhändlern zu verhandeln... Das Abfeuern der Kanone jetzt verkündete nicht nur den Tod eines bedeutenden Mannes, sondern zeigte auch, dass die Vorfahren dieses bedeutenden Mannes mit den Sklavenhändlern Geschäfte gemacht hatten.“ (S. 298) 

Alain Mabanckou (Republik Kongo) schreibt in „Petit Piment“, Liebeskind 2019: „,Seht ihr‘, murmelte er, ‚manchmal wurden wir von den eigenen Leuten verkauft, und wenn ihr eines Tages einem amerikanischen Schwarzen begegnet, denkt daran, es könnte jemand aus eurer Familie sein!'

Zudem nahmen die Vili Leute aus meinem Volk zu Sklaven und verkauften sie in benachbarte Königreiche! Man komme mir also nicht damit, sie seien wegen der Weißen zu gewieften Sklavenhändlern geworden! Zu jener Zeit waren die Weißen noch gar nicht bei uns angekommen, und damit basta!“ (S. 45/46)

Der ivorische Schriftsteller Ahmadou Kourouma (1927–2003) schreibt in seinem Bestseller (das Buch war monatelang an der Spitze der französischen Bestsellerlisten) „Die Nächte des großen Jägers“ (En attendant le vote des betes sauvages, Paris 1999/deutsch, 2000 im Hammer Verlag):

„Um die Neger zu zivilisieren, wagen die Kolonialmächte in dem Gebiet, das man Golf nennt, ein bis dato einzigartiges Experiment: Sie kaufen in Amerika Sklaven auf, schenken ihnen die Freiheit und siedeln sie in jener Gegend an. Vergebliche Mühe, ein kompletter Reinfall. Die Freigekauften kennen nur ein einziges gewinnbringendes Gewerbe: den Handel mit schwarzen Sklaven. Sie fangen wieder an mit der Jagd nach menschlicher Beute und dem Verkauf von Negern, einem veralteten, seit der Berliner Konferenz durch internationale Konventionen verbotenen Erwerbszweig. Die Kolonialmächte sehen sich gezwungen, bei ihrem zivilisatorischen Werk auf die Unterstützung der Freigekauften zu verzichten.“

Der Senegalese Sembène Ousmane beschreibt in seiner Erzählung „Der Voltaer“, deutsch Oberbaum 1991, eine Unterhaltung zwischen Momutu, dem afrikanischen Sklavenhändler, und Amoo, der gerade seine Tochter bei einem Überfall auf ein Sklavenschiff gerettet hat. „,Und Du hast doch mehr als einmal dein Leben aufs Spiel gesetzt, um deine Tochter zu retten?' ‚Das ist meine Tochter! Ich musste mit ansehen, wie einer nach dem anderen in meiner Familie verkauft und weggeschleppt worden ist, wer weiß wohin. Ich bin mit der Angst aufgewachsen, ständig mit meiner Sippe auf der Flucht vor den Sklavenjägern; in meiner Sippe hält man keine Sklaven... wir sind alle gleich...'  ‚Bleib bei mir. Du bist prima, und du weißt, was du willst‘, fuhr Momutu fort und reichte ihm das Schnapsfässchen. Höflich lehnte er ab. ‚Das ist die richtige Arbeit für uns. Wir ziehen durch die Savannen, machen Gefangene und verkaufen sie an die Weißen. Einige Kapitäne kennen mich bereits. Andere locke ich hierher, und dann hecke ich mit meinen Leuten einen Plan aus, wie wir sie zum Verlassen des Schiffs bringen können. Das Schiff wird geplündert und die Gefangenen zurückgeholt... Die Weißen werden kaltgemacht. Das ist keine schwere Arbeit. Und man verdient immer daran. Ich hab dir deine Tochter zurückgegeben. Das ist ein schönes Exemplar. Sie ist viele Eisenbarren wert.'“ (S. 130/131)

Momuto und seine Kumpane: „Ein stämmiger Kerl. Er ist bestimmt seine vier Tonnen wert.“ „Mehr“, übertrieb ein anderer, „etliche Eisenbarren, die Waren nicht mitgerechnet.“ (S. 131)

erschienen auf Achgut


Autor: Achgut
Bild Quelle: Archiv


Montag, 08 Februar 2021

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